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Prähistorische Funde legen die Vermutung nahe, daß es schon zu Zeiten der Völkerwanderung Fesselflug gegeben haben muß. Die kreisförmig angelegten altgermanischen Thingstätten lassen messer(flug)scharf darauf schließen, daß es schon zu vorchristlicher Zeit teutonisch rund gegangen sein muß. Diese Volksbräuche gerieten in Vergessenheit, doch haben sich die Völker eine unbewußte Ahnung davon bewahrt. Die Sprache verrät es. Spricht doch der Volksmund bei einer "rundum" gelungenen Angelegenheit auch heute noch von einer "runden Sache". In neuerer Zeit scheint das Interesse an alten Bräuchen den Fesselflug allerorten wieder zu beleben; freilich bei den verschiedenen Volksstämmen mentalitätsbedingt unterschiedlich entwickelt und in den unterschiedlichsten Erscheinungsformen.

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Bei Gruppen von ungebrochener Vitalität und Kampfeslust ist die Fuchsjagd die adäquate Erscheinungsform. "Fuchsjäger" kämpfen bis aufs Balsamesser und setzen alles daran, bei einer "Fuchsjagd" den Papyrusstreifen am Schwanz des gegnerischen Fliegers abzusägen. Dabei benutzen sie mit hoher Drehzahl rotierende Messer, Propeller genannt. Das ganze spielt sich so schnell ab, daß man kaum mit dem Zuschauen nachkommt.

Eigentlich muß man auch gar nicht hinschauen - hinhören genügt. Immer, wenn es kracht, hat einer verloren. Der Materialverschleiß ist beträchtlich. Um mit ihrem Verbrauch mithalten zu können, bauen Fuchsjäger ihre Flieger am laufenden Meter - wohl mit ein Grund für steigende Balsaholzpreise - und hacken alle 100 Zentimeter ein Stück
ab - zack! Fuchsjäger (Flugzeug und Piloten) sind äußerst robust. Sie sehen sich immer als Sieger, lediglich die Jury ist in 90 von 100 Fällen anderer Meinung. Dann werden stapelweise Proteste geschrieben und lautstark vorgebracht - das sind die Protestsongs. Hochentwickelte Fuchsjäger bringen zum Protestschreiben gleich ihre Schreibmaschine mit.

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Feiner entwickelte Volksgruppen, die die Entwicklungsstufe der Kämpfer überschritten haben, betreiben Kunstflug. Es sind dies ästhetisch empfindliche Individuen, die Dandies des Fesselflugs. Form geht über alles, Inhalt interessiert nur, soweit er Punkte bringt. Dazu gehören ein elegantes Flugzeug, ein atemberaubendes Finish, ein respektvoll-freundschaftliches Verhältnis zum Punktrichter.

Ein Kunstflieger weiß, wer er ist. Das prägt sein Image. Nicht unwesentlich trägt er dazu seine Garderobe bei - ganz in Weiß: Schuhe, Socken, Hosen, Hemd, Mütze, Handschuhe (evtl. auch Zähne). Letztere (die Handschuhe) werden erst bei Übernahme des Griffes ausgezogen. Dieser wird auf einem weißen Tuch gereicht. Selbst das Flugzeug ist oft weiß, mit dezenten Farbstreifen, je nach Stammesfarben und Adelsgeschlecht. Es wird vor jedem Flug frisch poliert; die meisten Kunstflieger haben Beraterverträge mit Hartwachsherstellern. Wieviel er trainiert, verrät ein Kunstflieger nicht - eher würde eine Dame ihr Alter preisgeben. Seinen wohlformulierten Ausführungen zufolge kommt er nur noch bei den wenigen windstillen Tagen zum Trainieren.

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Damit befindet er sich im krassen Gegensatz zu den Anhängern des Mannschafts-Rennens. Das besondere ethnolgische Merkmal dieser Sippe ist Teamwork. Mannschaftrenner treten nur paarweise auf und fliegen nur zu dritt, im selben kleinen Kreis. Diese hohe Bevölkerungsdichte kann leicht zu Verhaltensstörungen führen. Z.B. soll es Mannschaftsrenn-Piloten geben, die nur noch links herum gehen können. Sie leiden unter der Zwangsvorstellung, immer schleudern und überholen zu müssen, selbst wenn ihre Konkurrenten schneller sind. Während die Piloten meistens vom Gemüt eines nervösen Rennpferdes sind, stellen die Mechaniker eher die kühlen Techniker-Typen dar. Infolge lebenslangen Trainings und schrittweiser Mutation ist ihr linker Zeigefinger als Einspritzdüse, ihr rechter als Anlaßkurbel ausgebildet. Die weltweite Ölkrise soll ursächlich durch den enormen Spritverbrauch dieser Gattung bei Trainigsflügen verursacht worden sein. Sie streiten jedoch alles ab.

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Auch die Geschwindigkeits-Flieger streiten immer ab - die Einnahme von Nitro. Sie sind alle süchtig und werden von der FAI scharf beobachtet. Es sollen schon größere Mengen Nitro - als Haschisch getarnt - beschlagnahmt worden sein. Ertappte Speedflieger werden deshalb in der Haft mit Rizinus pur zwangsernährt bzw. getränkt. Höhepunkt im Leben dieser Spezies ist der "Gabellauf": Zehn Umdrehungen der Gabel (woran sie sich krampfhaft festhalten, um die seelische Balance zu halten) in etwa zwölf Sekunden läuft der Weltmeister - wenn sein Motor läuft. Den hat er sich in mühevollen Stunden nächtens handgeschnitzt. Ein Wunderwerk der Technik! Hier kommt es auf absolute Präzision an. Zwei, drei Zentimeter mit der Grobschlichtfeile zuviel, und der Motor ist im Eimer.

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Bleibt als kleine rassistische Minderheit noch die Volksgruppe der Scale-Flieger zu erwähnen, die mit akribischer Kleinarbeit versucht, die Anzahl der Nieten sowie Größe und Form von Rostflecken auf antiken Geräten zu duplizieren. Bemerkenswert ist, daß ihre Kreationen manchmal tatsächlich fliegen.

Die Entwicklungsgeschichte des Fesselfluges und der ihn ausübenden Volksstämme scheint noch nicht abgeschlossen. Als Indiz mögen die Beobachtungen von Verhaltensforschern dienen, die ein vermehrtes Auftreten dieser Spezies feststellen konnten. Erst kürzlich wurden in den unzugänglichen Schluchten des Lonetals Felszeichnungen entdeckt, die auf eine, wenn auch kleine, so doch hochentwickelte Fesselflugpopulation hinzudeuten scheinen.

Claus Maikis

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